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  • Simon Kolar

Exklusive Einblicke: Martin Schreiner aus dem Tickets Barcelona

Das bekannteste Restaurant der Welt, das „elBulli“ schloss im Jahre 2011 seine Türen. Die Kreativität der Brüder Albert und Ferran Adria prägte eine Ära von Köchen und hat weltweit bleibende Einflüsse hinterlassen. Auch wenn die Rezepte aus dem elBulli mittlerweile gut 20 Jahre alt sind, bringen sie uns noch heute zum Staunen.

Die neue Wirkungsstätte eines der größten Masterminds der heutigen Kochszene, Albert Adria, ist nun das Restaurant Tickets. Eine Erlebniswelt, deren Besuch eher einem Zirkusbesuch gleicht, als dem eines Restaurants. Mittendrin, im Herzen der Küche des Restaurants Tickets, ist jedoch auch ein Guerilla Chef zu finden.

Opening Tickets Restaurant Barcelona

Foto by @magdasbar

Martin Schreiner ist gebürtiger Salzburger und arbeitet jeden Tag im Team um Albert Adria. Er war bereits Executive Chef für die bekanntesten Köche Spaniens und Portugals, wie zum Beispiel Superstar Chef Kiko Martins. Wie er zu diesem Job kam, wer das Pesonalessen im Tickets kocht und welche Besonderheiten die Mise en Place im Tickets in Barcelona mit sich bringt, das erfährst Du im folgenden Interview.

Ich marschierte ins Tickets und sagte in gebrochenem Spanisch, dass ich gerne hier arbeiten möchte. Drei Tage später klingelte mein Telefon.. Martin Schreiner, TICKETS BARCELONA

Simon: Martin, willkommen in der #GuerillaFam! Wir freuen uns sehr, dass du dir die Zeit genommen hast uns einen Einblick zu geben, wie es ist, für einen „Halbgott“ der Küche zu arbeiten. Das wichtigste vorab: wie bist Du zum Kochen gekommen? Du hattest doch die Möglichkeit einen bequemeren Managementposten anzunehmen?

Martin: Vielen Dank, dass ich hier sein darf Simon! Ich bin in 1985 in Salzburg geboren worden und besuchte, wie viele Österreicher, eine Tourismus Schule mit Matura (Abitur). In meinem jährlichen Praktikum habe ich mich begonnen für den Kochberuf zu interessieren und habe schnell bemerkt, dass es genau das ist, was ich mal machen möchte. Ich war tatsächlich der einzige aus meinem Jahrgang, der sich statt für eine Managementstelle für den Kochberuf entschieden habe.

Simon: Welche Stationen hattest Du auf deinem Weg, vor dem Tickets ?

Martin: Im Jahr 2010 verschlug es mich nach Portugal in die Vila Joya zu meinem Landsmann Dieter Koschina in Albufeira, der seit über 20 Jahren durchgängig 2 Michelin Sterne hält. Anschließend entschloss ich mich in Portugal zu bleiben und zog nach Lissabon. Ich begann mit Chef Kiko Martins zusammen zu arbeiten, war nach kurzer Zeit quasi seine rechte Hand. Gemeinsam eröffneten wir in den letzten Jahren 5 Restaurants, was auch ein ziemlicher Boom in Portugal war. Chef Kiko ist in Portugal ein wahrer Superstar. Ich begleitete Kiko unter anderem nach Peru und nach Brasilien, da wir authentische peruanische und brasilianische Küche etablieren wollten. Es reichte uns nicht einfach zu sagen: Hey wir machen eine Cevicheria auf, weil es gerade Mode ist und verwenden einfach bisschen Limettensaft.

Wir eröffneten im Anschluss noch ein Restaurant mit asiatischer Küche, sowie ein brasilianisches Gasthaus. Alles sehr bedacht auf traditionelle Rezepturen und Authentizität.

Simon: Wie ging es dann weiter? Warum hast Du eine so spannende Stelle aufzugeben?

Martin: Nach einiger Zeit strebt man dann doch danach, sein eigenes Ding durchziehen zu können. Es ist toll unter großen Köchen zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln. Für mich gibt es jedoch nichts spannenderes als meine eigenen Einflüsse in die Realität umzusetzen.

Wohin ich gehen sollte wusste ich anfangs noch nicht. Ich wusste nur, dass mich der Weg nicht nach Österreich zurück führen würde. So kam ich auf die Idee nach Spanien auszuwandern. Ich wollte die Avantgardeküche entdecken und erleben.

Simon: Wie kommt man dazu sich bei Albert Adria zu bewerben? Man spaziert doch dort nicht mal eben rein und sagt: Hey, ich will hier arbeiten..oder?

Martin: Tatsächlich bin ich direkt rein ins Tickets mit meiner Bewerbung und habe gesagt ich würde gerne bei euch anfangen. Ich bin zwar sehr selbstbewusst, aber man rechnet eigentlich nicht damit, einfach so, bei einem der besten Köche der Welt einfach genommen zu werden.

Drei Tage späte klingelte jedoch mein Telefon – das Tickets war dran und lud mich ein. So begann meine Zeit im Tickets

Simon: Wow. Ich denke das sagt auch einiges über die Flexibilität und Offenheit des Restaurants aus. Du warst vorher als Executive Chef nur mit Spitzenköchen unterwegs und fängst quasi als „Immigrant“ wieder ganz unten in der Hierarchie an. Wie fühlt sich das an?

Martin: Es war eine riesige Umstellung für mich. Ich hatte einen sehr Bürolastigen Job bei Chef Kiko. Ich war viel mit Planung und Gestaltung von Gerichten beschäftigt. Ich musste viele Fotos machen und Rezepte ausarbeiten und bei Interviews helfen. Auf einmal bist du mit Anfang 30 „nur“ noch Chef de Partie mit wenig Verantwortung und einem geringen Gehalt. Doch es hat mir riesigen Spaß gemacht die Karriereleiter nicht nur nach oben zu besteigen, sondern auch mal einen Schritt nach unten zu machen und wieder an den Basics weiter zu feilen.

Mir ist die Küche einfach abgegangen. Ich wollte mal wieder kochen, schicken und den a la Carte Stress erleben. Ich war vorher etwas „disconnected“ und habe das Gefühl „mal wieder in der Scheiße zu sein“ schon fast vergessen. Der Schritt zurück war für mich eigentlich wieder ein Schritt nach vorn.

Simon: Bist Du ein Fan der Sterneküche?

Martin: Entsprechend meiner Wurzeln stamme ich eher aus der bodenständigen Küche. Für mich muss Essen einfach gut sein und es muss nicht immer das teuerste vom teuren sein. Trotzdem ist Sterneküche als Koch für mich immer ein Erlebnis. Es ist ein bisschen so, wie nach einer Zeit wieder mit dem Wiener Symphonieorchester zu spielen. Ein absoluter Nervenkitzel den man kaum in Worte fassen kann.

Simon: Du hast ja quasi die Rolle des „Immigranten“ mit wenig Sprachkenntnissen übernehmen müssen. Wie wurdest Du aufgenommen? Warst Du ein Exot?

Martin: Im Tickets ist das Team sehr international. In der Sternegastronomie gibt es sehr viele Praktikanten und Köche, die aus aller Welt kommen um für einen geringen Lohn Erfahrung zu sammeln. Leider ist es nunmal so, dass Sternegastronomie durch den hohen Personalbedarf auch auf diese Menschen angewiesen ist.

Langwierige Mise en Place wird unter allen aufgeteilt. Diese Technik kommt aus dem „El Bulli“ und nennt sich Mesa en Medio. Der Tisch in der Mitte. Martin Schreiner, Tickets BArcelona

Der Vorteil an der Arbeit in der Küche ist zum Glück, dass Technik und Fähigkeiten im Vorteil stehen und man sich recht international verständigen kann. Wenn dir jemand etwas zeigt, dann kannst du es nachmachen. Während des Service ist das jedoch manchmal ein Problem. Wenn du mal ein Kommando nicht verstehst, gerade wenn dann auf einmal schnelles Spanisch oder Catalan um die Ohren fliegt. Das Nagt schon sehr an deinem Stolz wenn du das Dritte mal nachfragen musst, was denn der Chef jetzt von dir möchte und die Arbeit still steht. Aber auch das legt sich mit der Zeit.. einfach weitermachen!

Ich war ziemlich schnell integriert, obwohl es am Anfang natürlich eine gewisse Fremdelphase gab. Ich war nunmal kein Jungspund, der mit 18 Jahren mal in die Sterneküche rein schnuppert. Ich war ein Koch mit Jahrzehntelanger Erfahrung. Das ist schon eine ganz andere Nummer.

Simon: Du hast etwas interessantes gesagt. Durch deine Erfahrung hast du natürlich auch eigene Techniken und Angewohnheiten, die du zwangsläufig mitbringst. Albert Adria, so kennt man ihn auch aus Chefs Table & Co, ist sehr genau, was seine Zubereitungen und Techniken angeht. Wie war diese Umstellung für dich?

Martin: In diesem Fall war mein Charakter sehr von Vorteil. Ich bin ein sehr offener Mensch und integriere mich sehr gerne in Teams. Ohne diese Eigenschaften ist es sehr schwer im Ausland zu bestehen. Allgemein ist die wichtigste Regel in der Küche Demut.

Die Herausforderung war vor Allem für mich, wieder einen Schritt zurück zu machen, da ich auf einmal nicht mehr derjenige war, der die Verantwortung hatte. In diesem Fall ist es immer wieder wichtig zu fragen, wie eine Zubereitung gewünscht ist und seinen Stolz beiseite zu Packen.

Im Tickets gibt es jedoch ein Paar Sachen, die etwas anders ablaufen, als in anderen Sternerstaurants, weshalb es recht leicht ist die Philosophie der Gerichte und der Zubereitungen zu verstehen, denn Du bist nie auf dich allein gestellt.

Simon: Erzähle uns ein bisschen über die Abläufe unter Albert Adria

Martin: Im Tickets ist die Arbeitsmoral und der Teamgeist erster Stelle. Viel wichtiger, als selbst hervorzustechen, sind die Teamaufgaben, die von allen gemeinsam erledigt werden müssen. Albert Adria ist selbst sehr häufig anwesend und predigt sehr oft, dass wir als Team wichtig sind. Er selbst stellt sich ungern in den Vordergrund, was die Moral des Teams ungemein fördert.

Langwierige Mise en Place wird unter allen aufgeteilt. Diese Technik kommt aus dem „El Bulli“ und nennt sich Mesa en Medio. Der Tisch in der Mitte.

Jeden Tag werden am Vortag die Aufgaben mit genauen Mengenangaben und genaustem Zeitaufwand notiert und ein Produktionsplan erstellt. Diesen schreiben wir auf eine große Tafel.

Am nächsten Tag kommt die gesamte Crew, geht aber nicht an die einzelnen Posten, sondern die Mise En Place findet an diesem Mesa en Medio statt.

Das war für mich neu und sehr beeindruckend, so genau und präzise zu arbeiten und zeitgleich den Teamgeist zu stärken. Häufig werden Mise en Place Aufgaben an Azubis abgegeben, die den ganzen Tag nichts anderes machen. Bei Albert Adria ist es das genaue Gegenteil. Du erlernst verschiedene Techniken verschiedener Stationen und kannst im Endeffekt auch später jede Position bestreiten. Anstatt, dass ein einzelner den ganzen Tag Seeigel ausnehmen muss, macht es das ganze Team in Minutenschnelle. Das bringt wirklich viel Abwechslung in die Arbeit.

Simon: Und wie sind die Schritte nacheinander organisiert?

Martin: Es gibt einen Zuständigen für den Mesa en Medio, der die einzelnen Mise en Place Schritte vorbereitet. Es wird ganz Stark auf saubere Abläufe geachtet, die durch diesen Zuständigen laufen vorbereitet werden. Während das Team die Aufgabe erledigt, bereitet er schon den nächsten Arbeitsschritt vor. So verlieren wir kaum Zeit und es ist immer ordentlich.

Du musst also während der Mise en Place nicht auf die Suche gehen nach neuen Brettern oder Schüsseln. Es ist so perfekt durch organisiert, dass es wie am Fließband funktioniert. Das muss man erlebt haben.

Simon: Wie funktioniert der Service im Tickets?

Martin: Das Tickets ist definitiv einzigartig was das Erlebnis für den Gast angeht. Es ist eher vergleichbar mit einem Zirkusbesuch, als mit einem förmlichen Besuch in einem Sternerestaurant.

Die Unterteilung ist anders als in der klassischen Küche. Wir haben quasi vereinzelte kleine Küchen, die verteilt sind auf das gesamte Restaurant. Es wirkt wie ein chaotisches System, weil aus allen Ecken des Restaurants Teller zu deinem Tisch kommen. Zwischendrin gibt es immer einen Sous Chef, der diese kleinen Küchenläden tastet und organisiert. Auch wenn es ungeplant wirkt ist jeder Schritt genauestens durchgetaktet. Es herrscht eine sehr hohe Dynamik, wie in einem Orchester muss der Service und die Küche immer wissen was gerade am laufen ist und was als nächstes ansteht. Kommunikation ist hier das Maß aller Dinge.

Simon: „Halt die fresse und mach deine Arbeit“ – dieser berühmte Satz stammt von deinem Chef, Albert Adria, aus einer Folge Chefs Table. Ist das Realität?

Martin: Jaein. Ich denke, das ist nichts so besonderes in der Sterneküche. Auf einem so hohen Niveau ist Konzentration alles. Man kann in so einer Küche keine Alleingänge brauchen. Kein Koch will jemanden im Team, der seine eigenen Ansprüche nach vorne stellt. Ich denke das ist ziemlich genau das, was Albert Adria damit ausdrücken wollte. Mach deine Arbeit, konzentriere dich darauf und alles andere kannst du davor oder danach machen. Hier bist du ein Zahnrad in einem Uhrwerk, das auf Präzision und Teamwork ausgelegt ist. Alles andere ist unwichtig.

Simon: Was zeichnet Albert Adria als Chef aus?

Martin: Wenn er nicht gerade auf Reisen ist, ist er sehr oft da. Er probiert immer neue Sachen aus. Was mich jedoch absolut umgehauen hat, ist dass er sogar gelegentlich unser Staff Food gemacht hat.

Als er das erste mal neben mir stand und das Personalessen gekocht hat, stand ich einfach nur da und dachte mir: „Wow, das ist der Typ, den du im Fernsehen rauf und runter gesehen hast. Leute zahlen hier ein Haufen Geld und ich bekomme von ihm mein Mittagessen gekocht.“

Das ist die höchste Form der Wertschätzung. Auch dem Team soll es gut gehen und dazu gehört in einem Restaurant auch gutes Essen.

Es ist für ihn wichtig, dass ein Team, das hart arbeitet, auch Zeit hat sich hinzusetzen und mit Vorspeise Hauptgang und Nachtisch ein vernünftiges Essen zu sich zu nehmen.

Simon: Hast Du ein Lieblingsgericht im Tickets?

Martin: Ich finde sehr viele Gerichte dort faszinierend. Aber was ich selbst bestellen würde ist die Wachtel Wellington. Stelle dir eine kleine Wachtel vor, ausgenommen, gefüllt mit Iberico, Spinat, Pilzen und gekochten Wachteleiern. Das ganze wird dann im Josper gegrillt und mit Blätterteig serviert.

Das Ist einfach urgeil. Du schneidest sie auf und sie sieht echt mit den verschiedenen Lagen aus wie ein Mini Filet Wellington. Sensationell.

Simon: Wie unterscheidet sich Gastronomie in Spanien zu der Gastronomie in Deutschland und Österreich

Martin: Als Koch erlebt man viele Parallelen, aber ein gravierender Unterschied sticht hervor. Meine Erfahrung in Portugal in Spanien zeigt einen ganz anderen Arbeitsstil. Auch wenn bei Albert Adria alles sehr durchdacht ist, wird mit Schwierigen Situationen viel flexibler umgegangen.

Wenn mal etwas nicht nach Plan läuft ist es für uns Mitteleuropäer deutlich schwieriger zu improvisieren und nach Intuition zu arbeiten. Wo wir dazu neigen zuerst zu diskutieren, wird in Spanien einfach umgeswitched und an anderer Stelle weiter gearbeitet. Es ist nichts ungewöhnliches, dass im Süden mal eine Lieferung viel später kommt, als benötigt.

Man macht einfach das Beste aus der Situation. Während ich manchmal noch dastand und noch über die Situation meckern wollte, waren die Anderen bereits bei den nächsten Aufgaben. Das war ein großer Lerneffekt. Wobei das Tickets für Spanische Verhältnisse eine Ausnahme ist.. hier stimmt alles auf die Minute genau. Auch im privaten Bereich muss man sich als Mitteleuropäer umstellen.. wenn ich mich um 20 Uhr verabrede ist eigentlich um 20 Uhr noch niemand da.

Simon: Was ist dein größter Traum als Koch?

Martin: Ich träume davon mich selbstständig zu machen mit einem kleinen Farm to Table Restaurant. Ein Restaurant mit einem kleinen Landhof, mit seinen eigenen Tieren und Gemüse aus eigenem Anbau, wo man als Ziel hat, alles so gut wie nur möglich zu verwerten. Das wäre mein Traum, den ich mir mit Sicherheit erfülle, sobald es nur möglich ist. Aktuell ist durch die Pandemie natürlich jeder Zeitplan über den Haufen geworfen worden.

Ich habe aber endlich ein lange geplantes Projekt umsetzen können. Da wir ja aktuell noch geschlossen haben, habe ich endlich meinen Food Blog https://mychefrecipe.com umsetzen können. Vielleicht sind ja die ein oder anderen spannenden Rezepte für die Guerilla Chefs interessant.

Simon: Martin, vielen Dank für die spannenden Einblicke. Ich hoffe, dass wir bald wieder in der Küche aktiv werden können und freue mich darauf, vielleicht auch mit Dir beim ein oder anderen Event gemeinsam am Herd stehen zu dürfen. Willkommen in der #GuerillaFam !

Martins Neuer Blog: https://mychefrecipe.com

Restaurant Tickets Barcelona: https://elbarri.com/en/restaurant/tickets/

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