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  • Simon Kolar

Foodporn gab es schon im Mittelalter

Schäumchen, Texturen und Essenzen – die Sterneküche des 21. Jahrhunderts ist uns bestens bekannt. Sie lebt von Perfektion, Emotionen und Erlebnissen. Wer denkt, dass Speisen, die vortäuschen etwas anderes zu sein, als sie sind, etwas aus unserer modernen Zeit sind, der liegt falsch.

Schauküche gab es schon bei den Rittern

Ziemlich falsch! Im Mittelalter kamen von lebendigen Vögeln bis hin zu eindrucksvollen Nachahmungen aus essbaren Materialien, viele spannende Kombinationen zum Einsatz. Schade, dass es damals noch kein Instagram gab.. 😉

Adrian von Utrecht Schau Speise

Goldenes Steak? Wie wäre es mit goldenem Schweinskopf?

Schweinskopf in Wappenfarbe und Blattgold – Foodporn im Mittelalter – Die Michelin-Küche im Mittelalter Wie auch heute, war das Kochen von Gerichten, die die Gäste nicht nur kulinarisch zum Staunen bringen, sondern auch entertainen, eine Kunst. Eine Kunst, die nur zu ganz besonderen Anlässen zum Einsatz kam.

Die Bedeutung eines Events wurde durch Prunk und Überraschungseffekte in Szene gesetzt. Ähnlich wie heute. Gerade wegen ihrer aufwendigen Zubereitung wurden diese Gerichte sehr geschätzt und wie Legenden beim Volk verbreitet.

Ähnlich, wie bei den modernen Konzepten von Andre Sarrasani, Palazzo & Co, bereiteten damals Artisten und Musiker bereit das passende Abendprogramm vor und untermalten das Menü mit kleinen Höhepunkten.

Pastete in Schwanenform

Lebende Tiere in der Pastete

Pasteten, gefüllt mit lebenden Tieren – Die sogenannten Entremets, waren die Highlights eines Festmahls. Sie wurden prunkvoll serviert und sorgten für Spannung und Spass zugleich an den Tischen.

Nein, sie wurden nicht lebendig gebacken..im Gegenteil! Was heute undenkbar klingt, war damals durchaus üblich. Überdimensionierte Pasteten aus Blätterteig wurden gefüllt mit lebenden Tieren, wie vögeln, die beim Anschneiden herausflogen.

Manche Szenarien waren sogar so durchdacht, dass kleine Vögel und Raubvögel frei gelassen wurden, die sich dann über den Köpfen der Gäste jagten und erlegten. Im Anbetracht dessen, dass es damals weder Internet noch Fernsehen gab, muss das ein Spektakel für die Gäste gewesen sein. Doch zur Beruhigung: Die Tiere wurden nicht mit gebacken, wenn du dich beim lesen gefragt haben solltest, mit welcher Technik man das wohl gemacht hat.

Speisen verfremden – das war Kult im Barockzeitalter!

„Verfremden, imitieren, amüsieren“ – Im Barock-Zeitalter definierte sich der Adel durch die aufgetischten Speisen. Ein Festmahl kredenzen kann jeder, aber amüsieren, schocken und überraschen konnte nur die High Society. Und dafür wurden damals, wie heute keine Kosten und mühen gescheut. Köche waren wahre Künstler und wurden dafür wie Stars gefeiert. Das Highlight: Am Ende des Festmahls wurden die Speisen nochmals aufgetischt – als Repliken. Originalgetreue Nachbauten aus Marzipan und Teig, handbemalt und täuschend echt. Kommt Dir das bekannt vor? Richtig! Auch heute werden zum Beispiel in Asien Schauteller mit Speisen aus Silikon in den Auslagen präsentiert um dem Gast Hunger zu machen.

Schaustück Speise Mittelalter Fasan Pastete

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schaugericht_(Speise)#/media/Datei:Pieter_Claesz._-_Stilleven_met_kalkoenpastei_-_Google_Art_Project.jpg

Die Highlights der Showköche:

  1. Behelmte Hähne, reitend auf einem Schwein – Schweineköpfe mit Blattgold und Farben des Wappens

  2. Fische, die mit natürlichen und unermesslich teuren Farben in Szene gesetzt wurden

  3. Pfauen und Schwäne wurden nach dem Kochen wieder mit ihrem Federkleid beklebt, sodass sie lebendig aussahen

  4. Live Bands spielten die passende Musik zu jedem Gang

  5. Tierische Bankette wurden mit lebenden Giraffen, Affen und weiteren Wildtieren begleitet

  6. Was aussah wie ein Wildschwein oder Geflügel, das musste noch lange keins sein und sorgte für Überraschungen. Immer wieder imitierten die Köche Fleischgerichte mit Gemüse und umgekehrt

Die spektakulären Gerichte des Mittelalters:

  1. Kaninchen und kleine Vögel sprangen aus Pasteten

  2. Imitationen von Fleischgerichten aus Marzipan, Mandelkäse und Reis

  3. „Cockentrice“: Aus dem vorderen Teil eines Hahnes und dem hinteren Teil eines Spanferkels wurde ein neues Tier „gebaut“ und zubereitet

Das Riesenei des Basilisken – Ein Rezept für das Phantasiewesen

Das Riesenei des Basilisken – ein spektakuläres Wesen aus Hahn, Schlange und Kröte schlüpfte aus einem riesigen Ei, das nur ein siebenjähriger schwarzer Hahn legen kann. Weitere Beispiele für hemmungslose mittelalterliche Kreativität.

So wurde das mysteriöse Riesenei ohne Zauberei zubereitet:

Aus 30 Eiern wurde ein grosses Ei hergestellt. Dazu wurde eine große und eine kleine Schweineblase genommen, die Eier wurden getrennt, sodass das Eiweiss in die große und das Eigelb in die kleine Blase gefüllt werden konnten. Zunächste wurde das Eigelb gekocht, anschließend in die große Blase mit dem Eiweiß gegeben und nochmals gekocht. Das Riesenei wurde mit Essigsauce serviert.

Diese Einblicke zeigen, dass Menschen schon immer Kulinarik als höchstes Gut für gesellschaftlichen Status wahrgenommen haben. Was heute die Modernist Cuisine und Haute Cuisine sind, inmitten des Sternehypes, das waren damals atemberaubende Schaugerichte, die mit Sicherheit noch heute Menschen zum Staunen bringen würden. Viel Spaß beim Nachkochen und bleibt gesund!

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